Wie weiblich ist das Handwerk?
Eines lässt sich in der Entwicklung der Arbeitswelt beobachten: Die Grenze von strikten Geschlechterrollen bei der Berufswahl weicht zunehmend auf. In den letzten Jahren zeigt sich beispielsweise ein positiver Trend in Richtung mehr Frauen im Handwerk und in technischen Berufen. Sei es bei Ausbildungen, festen Arbeitsplätzen oder der Unternehmensführung. Berufe, die in der Vergangenheit und Gegenwart stark männlich geprägt sind. Doch die Anzahl an Handwerkerinnen, da sind sich Handwerksverbände einig, ist immer noch zu niedrig. Daneben lassen sich im Vergleich zu den männlichen Handwerkern noch einige starke Unterschiede in der Gewerkswahl ausmachen.
Wie ist es also um das Thema Frauen im Handwerk bestellt? Unter anderem geben die Zahlen und Analysen des Zentralverbandes des deutschen Handwerks (kurz: ZDH) einen Einblick…
Wie der aktuelle Stand von Frauen in Handwerksberufen ist
Welche Entwicklungen sich in den letzten Jahren erkennen lassen
Warum sich Frauen immer noch ein bisschen mehr beweisen müssen als Männer
Wieso sich das Handwerk für mehr Handwerkerinnen einsetzen sollte
Zur aktuelle Lage von Frauen im Handwerksberuf
Frauen bringen das Handwerk in verschiedensten Bereichen voran. Als Mitarbeiterin, Auszubildende, Meisterin, Selbstständige, Gründerin oder als gemeinsame Unternehmerin mit ihrem Partner. Die aktuellen Zahlen lassen durchaus Positives erahnen. Frauen machen im Handwerk unter allen tätigen Personen einen Anteil von 36 % aus. Dazu zählen alle Berufsfelder, egal ob Arbeitnehmerin oder Arbeitgeberin. Das Belegen zumindest Zahlen des ZDH aus dem Jahr 2020 (Mehr dazu hier). Daneben werden 20 % der Handwerksbetriebe allein von Frauen geführt. Zudem sind gut 75 % aller Handwerksbetriebe familiengeführt, wobei Paare häufig gemeinsam leiten.
„Die Unternehmerfrauen sind ein unverzichtbarer Partner für das Handwerk“, erklärte Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). „Sie gehören in den Betrieben zu den Leistungsträgern und tragen auf allen Ebenen zum wirtschaftlichen Erfolg der Handwerksbetriebe bei.”
Zu den häufigsten Tätigkeitsfeldern zählen personenbezogene Dienstleistungen wie Friseure sowie das Gesundheits- und Lebensmittelgewerbe. Im Bauhaupt- sowie dem Ausbaugewerbe und im Bereich Kfz sind Frauen am wenigsten vertreten.
Insgesamt liegt der Frauenanteil bei neu abgeschlossenen Ausbildungen bei knapp 20 % (Stand 2019). Jedoch sind diese nicht gleichmäßig verteilt. Der gewerblich technische Bereich ist deutlich unterbesetzt im Vergleich zu kreativeren Gewerken. Zu den beliebtesten Berufsfeldern zählen (siehe Bild unten).
Schneiderin und Friseurin,
Goldschmiedin und Optikerin
sowie Konditorin
Außerdem ist in Bezug auf abgeschlossene Meisterprüfungen im Jahr 2019 jede fünfte Person weiblich.
In manchen Gewerken mehr, in anderen fast gar nicht
Neben den beliebten Berufsfeldern gibt es auch einige technische Bereiche, in denen das Handwerk weiblicher wird. Hierzu zählen laut ZDH-Statistik aus dem Jahr 2019 Zahntechnikerin, Bäckerin, Malerin, Lackiererin und Tischlerin (siehe Bild unten). Diese Entwicklung kann auch auf die zahlreichen Infokampagnen des Handwerks zurückgeführt werden, in Zukunft mehr Frauen für das Handwerk motivieren zu können. Das fängt schon bei der schulischen Ausbildung mit dem Girls-Day oder MINT-Initiativen an und reicht bis zu Beratungs- und Vernetzungsangeboten von Kompetenzzentren in den jeweiligen Regionen.
Allerdings gibt es einige gesellschaftliche Gründe für die noch zu kleine Zahl von Frauen im Handwerk. Zum einen die im Schnitt besseren Schulnoten von Frauen, die sich für mehr qualifizierte Tätigkeiten eignen. Zum anderen der insgesamte Trend bei jungen Leuten in Richtung Universität statt Ausbildung. Verschärft wird diese Entwicklung durch niedrigere Geburtenraten, also insgesamt weniger jungen Interessenten.
Doch kann gerade jetzt durch die Digitalisierung und die Etablierung von neuen Technologien das Handwerk attraktiver gemacht werden. Das bedeutet weniger körperliche Belastung auf der Baustelle (Mehr dazu im Artikel hier), einen sicheren Job sowie eine gute Work-Life-Balance. Speziell in Bezug auf Familienplanung und fehlende körperliche Belastbarkeit im Vergleich zu Männern können dadurch zwei häufige Gegenargumente für Frauen in technisch ausgelegten Handwerksbetrieben genannt werden. Was uns zum nächsten Punkt führt.
Warum sich Frauen immer noch ein bisschen mehr beweisen müssen als Männer
Um Frauen auf der einen Seite für die gesamte Sparte an handwerklichen Berufen und auf der anderen Seite Handwerksunternehmen für Frauen zu motivieren, müssen alte Vorurteile und Klischees überwunden werden. Klischees von ungeschickten Frauen, die nicht richtig anpacken können oder eher in den betriebswirtschaftlichen Bereich gehören. Gerade diese Vorurteile sorgen dafür, dass sich Frauen im Handwerk gegenüber skeptischen Kunden und Kollegen meist mehr beweisen müssen, da sie von vornherein kritischer beurteilt werden. Das unterstützt nicht gerade das Arbeitsklima sowie den eigentlichen Arbeitsprozess bei der Handwerkerin.
Da ist sich auch Holger Schwannecke, Generalsekretär des ZDH, einig. Noch viel zu häufig würden in der Berufsberatung nicht vordergründig die Fähigkeiten der Jugendlichen in den Blick genommen werden, sondern sich an teils geschlechterangepasste Berufswege orientiert.
„Es muss uns gelingen, dass Geschlechterklischees aufgeweicht werden, sowohl bei den Jugendlichen selbst, deren Eltern, aber auch bei den Lehrenden – egal ob in der Kita oder in der Berufsschule“ Holger Schwannecke, Generalsekträter des ZDH
In den Statistiken zeigt sich das anhand der niedrigen Ausbildungs- und Beschäftigtenzahlen von Frauen im Bereich von „typischen Männerberufen“. Nur 10 % aller im Bauhaupt- und Tischlergewerbe arbeitenden Personen sind laut ZDH weiblich. Berufszweige wie Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik kommen auf einen Frauenanteil bei Ausbildungen von 1,2 Prozent.
Wer Frauen im Handwerk ignoriert übersieht die Zukunft
Werden veraltete Rollenklischees weitergetragen, übersehen viele Interessierte und Handwerksunternehmen ihre Chance für die Zukunft. Unternehmen, indem sie Frauen als mögliche Fachkräfte und Chefinnen von morgen zu wenig beachten. Und interessierte Frauen, die sich von einer aussichtsreichen Karriere im Handwerk abschrecken lassen. In Zeiten, bei denen rund 200.000 Lehrstellen pro Jahr unbesetzt bleiben, Fachkräfte rar sind und in einigen Gewerken Betriebsschwund herrscht, wäre das fahrlässig.
Als Lösungen bieten sich etablierte Frauen an, die als Vorbilder dienen können oder Unternehmenskulturen, die eine bessere Verbindung von Familie und Arbeit möglich machen. Darüber hinaus Entwicklungsangebote, um technische Kenntnisse und Führungsqualitäten zu entfalten sowie Quereinsteigerinnen den Einstieg zu erleichtern.