Preissteigerungen im Handwerk – ein Überblick
Die derzeitigen Probleme der Handwerksbetriebe kurz zusammengefasst: Baustoffe wie Holz, Metall, Farben oder Dämmmaterial sind immer schwerer zu bekommen. Lieferengpässe verzögern die Fertigstellung von Aufträgen erheblich, Betriebe sind aufgrund fehlender Materialien zu Kurzarbeit gezwungen.
Es ist eine wesentliche Komponente der Marktwirtschaft, dass die Nachfrage den Preis regelt. Daher haben sich die Preise in letzter Zeit geradezu inflationär entwickelt. Angebote, die vor wenigen Monaten verbindlich abgegeben wurden, können einzelne Betriebe heute in den finanziellen Ruin treiben.
Ursachenforschung
Die Corona-Krise führte zwangsläufig zu drastischen Einschränkungen und erschwerten Bedingungen an den Landesgrenzen mit der Folge, dass ganze Lieferketten zusammenbrachen. Aufgrund der inzwischen überbordenden Globalisierung hat sich die deutsche Wirtschaft in vielen Bereichen in sehr starke Abhängigkeiten vom Ausland begeben. Wenn es in Indien oder China kriselt, kriegen wir das in Deutschland mindestens ebenso stark zu spüren.
In den USA ist zurzeit die Nachfrage nach Baumaterialien besonders hoch und der Atlantik war für die Amerikaner noch nie eine unüberwindbare Barriere. Also wird kurzerhand der europäische Markt leergekauft, was deshalb so gut funktioniert, weil die US-Firmen aufgrund der dortigen großzügigen Konjunkturprogramme keinen Respekt vor hohen Preisen haben müssen. Der mittelständische europäische Betrieb kann da einfach nicht mehr mithalten.
Letztendlich ist China eine große Senke* für europäische Baumaterialien. Das hat viel damit zu tun, dass die Corona-Krise in dem asiatischen Land viel früher und sehr viel besser unter Kontrolle gebracht werden konnte.
*Dabei handelt es sich übrigens um einen mathematisch-physikalischen Begriff, der genau das Gegenteil von einer ergiebigen Quelle beschreibt.
Es ist evident, dass das europäische Handwerk durch die Corona-Maßnahmen extrem ausgebremst wird
Zum ersten Mal seit dem Jahre 2013 sanken die Umsätze im deutschen Handwerk sogar in einem ersten Quartal, bestätigte kürzlich das Statistische Bundesamt in Wiesbaden. Der Rückgang der Erlöse ist demnach im ersten Vierteljahr 2021 um 7,7 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres gesunken. Auch die Beschäftigtenzahl ist um 1,7 Prozent gefallen.
Besonders hart sind die Handwerksbetriebe für den privaten Bedarf betroffen. In der Friseurbranche brachen die Erlöse sogar um 37,4 Prozent ein und 9,2 Prozent der Beschäftigten sind in dieser Sparte verloren gegangen. Das Bauhauptgewerbe hat einen Umsatzrückgang von 15,9 Prozent zu beklagen. Noch etwas stärker betroffen sind die Gewerbezweige Straßenbau, Maurerhandwerk und Betonbau, die gleich um 17,9 Prozent Federn lassen mussten. Als Ursachen dafür werden Rohstoffengpässe beziehungsweise deutlich verteuerte Rohstoffe im Verein mit dem langen kalten Winter 2020/2021 angeführt.
Es ist noch nicht lange her, als Hans Peter Wollseifer, seines Zeichens Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), vor den erheblichen und nachhaltigen Folgen der Rohstoffknappheit gewarnt hat. Dem fügte er hinzu, dass Unternehmen trotz voller Auftragsbücher Kurzarbeit anmelden müssen, nur weil es an Material fehle.
Sogar das Lebensmittelgewerbe leidet an Umsatzrückgängen von fast zehn Prozent, wobei die Konditoreien hier mit 20,8 Prozent einen „Spitzenplatz“ einnehmen. Dagegen erscheint ein Rückgang von „nur“ 5,6 Prozent im Kraftfahrzeuggewerbe fast schon moderat. Als Lichtblick erwiesen sich allerdings die Zweirad-Werkstätten, die ihren Umsatz gleich um 27 Prozent steigern konnten.
Gab es so drastische Preissteigerungen beim Baumaterial schon einmal?
Wollseifer erklärte weiter, dass es eine ähnliche Problemlage bei den Nichteisenmetallen um 2005 herum schon einmal gab. Doch in dieser vollen Produktbreite sei die exorbitante Preissteigerung von Baumaterialien, vor allem innerhalb eines so kurzen Zeitraums, in seinem ganzen Berufsleben noch nicht vorgekommen.
Insbesondere bei den Bau- und Ausbaugewerken erweisen sich nun die Preiskalkulationen und die Einhaltung von Terminen als äußerst problematisch. Wer jetzt verbindliche Verträge bedienen muss, ohne eine realistische Preisanpassung vornehmen zu können, fährt ganz klar erhebliche Verluste ein. Aufträge durch die öffentliche Hand sind diesbezüglich oftmals besonders unflexibel, es sei denn, es konnte im Vorfeld eine sogenannte Preisgleitklausel vereinbart werden. Dabei ist es allerdings üblich, dass grundsätzlich auch der Auftragnehmer einen Eigenanteil an den unerwarteten Mehrkosten übernehmen muss.
In manchen Fällen ist die Situation geradezu aussichtslos
Die Rückmeldungen sowohl aus den Betrieben als auch aus den Handwerkskammern und Verbänden sprechen eine deutliche Sprache: Für nicht wenige Betriebe steht derzeit die Existenz auf dem Spiel, zudem aufgrund der Pandemie bereits bei vielen die Eigenkapitaldecke extrem ausgedünnt werden musste. So sind finanzielle Spielräume bei den meisten Betrieben faktisch nicht mehr vorhanden.
Gerade bei vielen öffentlichen Aufträgen besteht jetzt die große Gefahr, dass einige Handwerksbetriebe, die wegen der akuten Materialengpässe unverschuldet in einen Leistungsverzug geraten, dafür mit Vertragssanktionsstrafen belegt werden. Hier sind unbedingt die Politiker:innen beziehungsweise die Ministerien gefragt, rechtzeitig gegenzusteuern und die auftraggebenden nachgeschalteten Behörden entsprechend anzuweisen.
Welche Wege der Problemlösung sind jetzt möglich?
Viele Betriebe kommen um Nachverhandlungen mit ihren Auftraggebern nicht herum. Wünschenswert ist es, dass die Verhandlungsführer aufseiten der Arbeitgeber umfassend genug über das derzeit fehlende Baumaterial und dessen Preissteigerungen informiert werden, um überhaupt erst einmal die nötige Sensibilität für das vorhandene Dilemma bei ihnen aufzubauen.
Dabei sollte auch offen kommuniziert werden, dass kein Auftraggeber auf der Gewinnerseite steht, wenn ein beauftragter Handwerksbetrieb noch vor Vertragsausführung in die Insolvenz gerät.
Es ist zurzeit mehr als widersinnig
Handwerksbetrieben drohen Kurzarbeit und Insolvenz, obwohl deren Auftragsbücher prall gefüllt sind. Zimmerer zum Beispiel berichten über große Baustellen, die kurz vor dem absoluten Baustopp stehen, nur weil es an Baumaterial mangelt. Unmittelbar vor der Insolvenz befinden sich in diesen Tagen solide Betriebe, die jede:r Buchhalter:in oder Steuerberater:in als „gesund“ bezeichnen würde.
Fazit
Angesichts der derzeit desolaten Lage des deutschen Bausektors werden wir zumindest temporär um Exportbeschränkungen bei bestimmten Gütern gar nicht herumkommen. Zum Wohle von Umwelt und Natur, gewiss auch mit Blick auf den allgegenwärtigen Klimawandel, hat die Bundesregierung erst vor Kurzem die Holzeinschlagsbegrenzungen verlängert, was in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation mehr als kontraproduktiv ist. Der dringend erforderliche Verzicht auf Vertragssanktionen durch die öffentlichen Auftraggeber wurde oben schon ins Feld geführt.